Die Restaurierung der Grabstätte Dietzel
Die Arbeitsgruppe Grabstättenkultur Städtischer Friedhof im Chemnitzer Geschichtsverein hat im vergangenen Jahr ein großes Projekt, die Wiedererrichtung der Grabstätte der Familie von Bernhard Dietzel, erfolgreich abgeschlossen.
Die Stadt Chemnitz hatte mit dem Chemnitzer Geschichtsverein eine Förderung für die Sanierung einzelner denkmalgeschützter Grabstätten auf dem Städtischen Friedhof beschlossen. In Abstimmung mit dem Grünflächenamt, der Denkmalpflege und dem Geschichtsverein haben wir uns für die Sanierung der Grabstätte Bernhard Dietzel entschieden.
Wer war die Familie Dietzel?
Theodor Dietzel, Namensgeber der Dietzelstraße (zu DDR-Zeiten Fritz-Heckert-Straße und heute Hofer Str.), war einer der bedeutendsten Stadtentwickler und Besitzer einer der größten Ziegeleien auf dem Sonnenberg. Unter seiner Leitung wurde 1902 der Durchbruch von der damaligen Königsstraße zum Markt vollzogen, Gebäude wie das alte Hotel Stadt Gotha abgerissen und das schmale Zuckergäßchen bis zum Markt als neue Friedrich-August-Straße ausgebaut. Unterstützt wurde er dabei vom Stadtbaurat Eduard Hechler und dem Architekten Hugo Duderstädt. Es entstanden repräsentative Gebäude wie das neue Hotel Stadt Gotha (Bild 1) und das Haus Wettin (Bild 2), die, wie der komplette Straßenzug, im 2. Weltkrieg zerstört wurden.
Das Wohnhaus von Theodor Dietzel war eine 1890 im Gründerzeitstil erbaute Villa in der Stollberger Str. 32. Im Hintergebäude der Villa befand sich das Verkaufskontor und dort wohnten der Gärtner, der Hausmeister und sicher auch der Kutscher. Theodor Dietzel starb 1907. Er war nicht verheiratet, so dass sein Erbe an seinen Bruder Wilhelm August Bernhard Dietzel fiel. Bernhard Dietzel bevorzugte den baren Gelderwerb und war Mitinhaber des Bankgeschäftes Dietzel und Buschkiel in der Poststraße 53. Villa und Hintergebäude blieben bis Kriegsende 1945 im Besitz der Familie Dietzel (zuletzt Wilhelm Dietzel).
Bernhard Dietzel verstarb 1910 und seine Erben konnten sich ein prächtiges Grab auf dem städtischen Friedhof leisten.

Die Grabstätte wurde 1911 (Bild 4) von dem aufstrebenden Chemnitzer Baumeister Richard Emil Reuther in einem strengen, wuchtigen Baustil errichtet, der Elemente der Renaissance und des Neobarock aufgreift, ohne diese eindeutig zu kennzeichnen. Der schöne Eisenzaun wurde von dem Chemnitzer Schlossermeister Hermann Gustav Forberg gefertigt. Im 2. Weltkrieg schlug am 5. März 1945 eine 250 kg Bombe in unmittelbarer Nähe der Grabstätte ein (Bild 5), der weiche Boden des Städtischen Friedhofes dämpfte die Druckwelle etwas ab, dennoch wurde die Grabstätte stark in Mitleidenschaft gezogen, der innere Kern aus einfachen Ziegelsteinen lag an einigen Stellen frei und war der Witterung ausgesetzt.
Im Laufe der Zeit verlor der Kern seine Tragfähigkeit und die gesetzlich geforderte Standsicherheit konnte nicht mehr gewährleistet werden, so dass das Grabmal 1998 abgetragen werden musste. (Bild 6)
So verfiel diese Ruhestätte unter Efeu in einen Dornröschenschlaf, aus dem wir sie wieder erwecken konnten.
Im Jahr 2018 (noch vor der Gründung der Arbeitsgruppe Städtischer Friedhof im Chemnitzer Geschichtsverein) hatten wir bei der Friedhofsverwaltung die Genehmigung zur Freilegung der verwilderten Grabstätte beantragt und erhalten. (Bild 7)

Ziel war es, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Steine zu machen und abzuschätzen, ob und mit welchem Aufwand eine Rekonstruktion möglich wäre. In den folgenden Jahren wurde die Grabstätte in Eigeninitiative gärtnerisch gepflegt und mit der historischen Aufarbeitung begonnen, die sich unerwartet schwierig gestaltete, da viele Unterlagen durch die Bombardierung von Chemnitz und in der DDR-Zeit und durch die Zwangsenteignung der Familie Dietzel vernichtet wurden. Nach der Gründung der AG Grabstättenkultur Städtischer Friedhof im Chemnitzer Geschichtsverein und vielen privat organisierten Führungen konnten wir viele Bürger und auch die Chemnitzer Stadträte für die Erhaltung der historisch wertvollen Grabmale auf dem Städtischen Friedhof gewinnen.
Als 2024 die finanziellen Mittel durch einen Fördermittelbescheid der Stadt Chemnitz, vertreten durch das Grünflächenamt, gesichert und die Baugenehmigungen eingeholt waren, konnte mit der Restaurierung der Grabanlage gestartet werden.
Ende April 2024 haben wir damit begonnen, das Grab zunächst von Efeu und Wildwuchs zu befreien. (Bilder 8-10). Im Juli 2024 konnte der beauftragte Steinmetz Till Apfel die Steine sichern und zur Bestandsaufnahme in seine Werkstatt bringen. Nach der Reinigung wurde erst das Ausmaß der Zerstörung der einzelnen Steine sichtbar. Steine mussten neu geklebt, Risse ausgebessert, verrostete Halterungen entfernt, abgebrochene Ecken und Kanten ersetzt werden. Durch eine CAD-Rekonstruktion wurde das Grabmal virtuell aufgebaut, um die Steine richtig zuordnen zu können.
Am 24. August 2024 begannen die Baggerarbeiten (Bild 11) für die Fundamente. Diese Arbeiten wurden am 12. September 2024 abgeschlossen.
Unmittelbar danach begannen die Aufbauarbeiten. Bereits am 15.09.2024 waren die Kuppel und der Beckenstein fertiggestellt. (Bild 12) Auch der zerbrochene Torpfeiler wurde geklebt, hier musste noch eine Edelstahlspindel zur Sicherung eingesetzt werden. Da auch das Vierungsmaterial geliefert wurde, konnten gleich alle Vierungen für die Restaurierung zugeschnitten werden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um kleine Würfel von 6 cm x 6 cm x 6 cm Kantenlänge, mit denen alle Löcher geschlossen werden, die dort entstanden sind, wo die alten Eisenanker der Gitter herausgeschnitten wurden.
Ende November waren auch die restlichen Zaunelemente vom Rost befreit und konnten wieder eingesetzt werden.
Am 18.12.2024 wurden die Arbeiten schließlich durch den Steinmetz Till Apfel abgeschlossen. (Bild 13) Nun steht noch die gärtnerische Innengestaltung der Grabstätte aus, die erst im Frühjahr erfolgen kann.
Unser Restaurierungsprojekt „Grabanlage Bernhard Dietzel“ ist nach vielen unvorhersehbaren Hürden und Hindernissen nun endlich abgeschlossen. Till Apfel war für uns sehr hilfreich und hat die Aufgabe für uns hervorragend gemeistert.
Es war schon ein „Hammerprojekt“, was wir vorher gar nicht so eingeschätzt hatten. Aus einem mit Efeu bewachsenen Steinhaufen ist ein sehr schönes Erbbegräbnis wieder auferstanden.
Quellen: Aufnahmen Mike Hähle; Buch aus eigener Sammlung: „Chemnitzer Kunst- und Kunstgewerbe 1912“.