Der Sonnenberg

Welche Sonne gab den Namen?
 

   

Waren es der Himmelskörper Sonne oder der ehemalige Gasthof „Zur goldenen Sonne”, die diesem Chemnitzer Stadtteil den Namen gaben?

Fakt ist, dass diese geologische Erhebung im Osten der Stadt Chemnitz liegt, wo nun mal die Sonne aufgeht. Bewiesen ist aber auch, dass erstmalig (1843) bei der offiziellen Verwendung des Begriffes „Sonnenberg” es den Gasthof „Zur goldenen Sonne” bereits seit 1713 an der alten Freiberger Straße gab. Eine eindeutige Herkunft des Begriffes „Sonnenberg” lässt sich allerdings nicht dokumentieren.
 

 

 


Mit der Entwicklung des allgemeinen Maschinenbaues sowie des Textilmaschinenbaues in Chemnitz und mit dem Anschluss an das sächsische Eisenbahnnetz wurde das bis dahin unbebaute, östliche Stadtgebiet wichtig. Entlang der Chaussee nach Dresden entstanden Gießereien und verschiedene Maschinenfabriken im Zeitraum von 1850 bis 1870. Aber auch an der Augustusburger Straße siedelte sich die Industrie an. Ein bekannter Industriestandort wurde die Ecke Martinstraße/Oststraße. Hier wagten bedeutende Chemnitzer Industrielle wie Richard Hartmann, Johann Zimmermann und Julius Reinecker ihre ersten Schritte zum Unternehmer.

 

Noch heute als Industriestandort genutzt wird die Dresdner Straße/Fürstenstraße. Wo heute ein Lidl - Markt und Küchencenter steht, war bereits 1852 ein wichtiger Gießerei- bzw. Maschinenbaubereich. Weltbekannte Sportgeräte der Marke „Blizzard” wurden in der Hainstraße/Philippstraße gefertigt und kamen zu Olympischen Spielen zum Einsatz.
 

 

 

Auf der größten Höhe des Sonnenberges (345 m) - dem Humboldtplatz - befindet sich weithin sichtbar der gelbe Backsteinziegelturm der ehemaligen, weltbekannten Firma für Fahrzeugbeleuchtungen Hermann Riemann. Und gleich gegenüber das von Stadtbaurat Richard Möbius errichtet Gebäude der Humboldtschule, die in den 20er Jahren zu einem Beispiel für die Reformpädagogik in der Weimarer Republik wurde.
 

Das Wahrzeichen des Sonnenberges steht jedoch seit 1895 am Körnerplatz, die doppelhelmige Markuskirche. Sie und die Katholische Kirche St. Joseph in der Ludwig-Kirsch-Straße erstrahlen im neuen Glanze und verkünden weithin den Glauben an die Zukunft und für die Hoffnung auf bessere, sonnigere Zeiten.
 

 


 

 

 

Der Sonnenberg selbst war der Stadtteil der einfachen, arbeitsamen Leute aber zugleich auch der Stadtteil vielfacher sozialer Konflikte. Vieles aus der Vergangenheit hat ihn heute wieder eingeholt.

Seine eigentliche Entwicklung als Wohngebiet begann in den Jahren 1860/70, als ein gewaltiger Zustrom von Arbeitskräften nach Chemnitz einsetzte. Bekannte Chemnitzer Unternehmen des Maschinenbaues und der Textilindustrie versprachen Arbeit und bescheidenen Wohlstand. Damit veränderte sich schlagartig die Bevölkerungsanzahl und -struktur der Stadt und neue Stadtteile entstanden. Während der Kaßberg zum Wohngebiet für sozial Bessergestellte wurde, entwickelten sich zu Arbeiterstadtteilen die Neustadt (Brühl), der Stadtteil Schloßchemnitz und der Sonnenberg.

 

Typisch für die Wohnbauten des Sonnenbergs der Gründerzeit waren die als Mietskasernen errichteten, fast schmucklosen 3-5 geschossigen Häuser. Schlecht ausgestattet mit Wasser, Gas, Strom und Sanitäreinrichtungen und bei geringer Mietzahlung waren diese Häuser bald überbelegt.
 

 


 

 

Mit 155 Einwohnern waren das Haus Peterstraße 26 und mit 170 Einwohnern das Haus am Körnerplatz 7 die um die Jahrhundertwende am stärksten bewohnten Häuser der Stadt Chemnitz. Der Sonnenberg wurde zum Stadtteil mit der größten Einwohnerdichte. Bereits 1880 lebte jeder vierte Einwohner der Stadt auf dem Sonnenberg.

Hohe Säuglingssterblichkeit und eine Vielzahl von TBC-Erkrankungen waren Ausdruck für die schlechten Wohnbedingungen.
 

Mit der Eingemeindung von Gablenz im Jahr 1900 erfolgte eine zweite und schließlich in den Jahren der Weimarer Republik eine dritte Bebauungswelle östlich der Zietenstraße und neue Wohngebiete bzw. Siedlungen entstanden.

Als Chemnitz mit ca. 360.000 Einwohnern (1932) seinen höchsten Bevölkerungsstand erreicht hatte, war auch die volle Bebauung des Sonnenberges erfolgt. Der Wissmann-Hof und die Häuser der „Humboldthöhe” wurden typische Beispiele für genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbau der damaligen Zeit. Mit dem Sonnenberg anhaftenden sozialen Problemen und ansässigen, stadtbekannten, kulturellen Einrichtungen entstand ein eigenes Rufbild des Stadtteiles.

 

 

 

„Zweinigers Ballhaus” in der Jakobstraße, das Marionettentheater „Henschel Pimper” in der Hammerstraße oder auch das Kino „Weiße Wand” an der Augustusburger Straße sorgten für mancherlei Entspannung, Unterhaltung und Geselligkeit. Die über achtzig Kneipen, Cafés und Tanzsäle waren vor allem die Hauptorte für Vereinsleben, Vergnügungen und Alkoholkonsum. Aber auch der Volksfestplatz an der Planitzwiese, der Sportplatz an der Humboldtschule oder verschiedene Gartenfeste erlebten Zeiten der Ausgelassenheit und Stimmung.

Nach 1945 begann eine Veränderung in den sozialen Beziehungen der Einwohner, was den neuen politischen Verhältnissen geschuldet war. Schrittweise verlor sich der einst schlechte Ruf des Sonnenbergs.