Zum 200. Todestag von Christian Gottfried Becker, dem ersten Großindustriellen in Chemnitz
von Jörn Richter
Christian Gottfried Becker war lange vor den heute bekannteren Namen wie Haubold oder Hartmann der erste Großindustrielle in Chemnitz. Er wurde am 2. September 1771 als Sohn eines Pfarrers geboren. Sein Lebensweg begann mit einer kaufmännischen Ausbildung in Dresden. 1795 machte er sich selbstständig. 1797 hatte er bereits in der heutigen Chemnitzer Aue eine Kattunfabrik errichtet. Kurz darauf gründete er mit dem Weber Schraps die Kattundruckerei Becker & Schraps.
Anfang der der 1810er Jahre, nach Ablauf der Privilegien der ersten Chemnitzer Spinnereien (Gebr. Bernhard und Wöhler & Lange), errichtete die Firma Becker & Schraps, an der Ecke der heutigen Straßburger und Florian-Geyer-Straße eine mit Wasserkraft betriebene Baumwollspinnerei, die bald zur bedeutendsten der Stadt zählte. Das Fabrikgebäude von Becker & Schraps an der heutigen Stelle von „Saches Ruh“ gab es bis 1945, als es im Flammenmeer unterging.
Becker verstand es sowohl innovative Technologien anzuwenden als auch mehrere Produktionsbereiche wie Kattundruckerei, Baumwollspinnerei, Weberei und Vertrieb miteinander zu verbinden. So beschäftigte er zeitweise bis zu 2.500 Arbeiter – und das in einer Zeit als die Stadt gerade einmal um die 10.000 Einwohner zählte. Vorbildlich soll Beckers soziales Engagement für die Ärmeren –besonders während einer Hungersnot 1816/1817 – gewesen sein. Er soll damals große Mengen Getreide gekauft und zu moderaten Preisen zur Verfügung gestellt bzw. verschenkt haben.
Im 19. Jahrhundert war Christian Gottfried Becker ein schillernder Name. Die Stadt sah sich ihm zu großem Dank verpflichtet. Um 1868 wurde links entlang des Chemnitzflusses, unterhalb des Kapellenberges von Sachses Ruh bis zur Aue eine neue Straße angelegt, die sogleich den Namen Beckerstraße bekam. Anders als beispielsweise die Hartmannstraße wurde sie auch zu DDR-Zeiten nicht umbenannt.
Der ehemalige Beckerplatz befand sich bis 1945 an der Stelle des heutigen Johannisplatzes und der Bahnhofstraße. Von Richard Hartmann soll in den späten 1860er Jahren der Vorschlag an den Chemnitzer Verschönerungsverein stammen, für Christian Gottfried Becker dort ein Bronzedenkmal zu setzen. Es wurde dann anlässlich seines 100. Geburtstages 1871 eingeweiht und zierte die Mitte des Platzes bis in den Zweiten Weltkrieg, wo es der „Metallspende“ zum Opfer fiel.
Heute erinnert noch Beckers Grabstätte im Park der Opfer des Faschismus (ehemals der alte Johannisfriedhof) in der Nähe der Johanniskirche an Christian Gottfried Becker. Es ist eines der ganz auserlesenen Gräber, welches nach der Auflösung des Friedhofes im 19. Jahrhundert hier erhalten blieb.
Christian Gottfried Becker starb früh im Alter von 49 Jahren am 23.10.1820 an einer Herzerkrankung. Sein jüngerer Bruder Friedrich Wilhelm Becker (1773 – 1847) ist übrigens der Urgroßvater der Bremer Künstlerin Paula Modersohn-Becker (1876 – 1907).