Vor 200 Jahren begann in Chemnitz der Einsatz von Dampfmaschinen
von Dr. Wolfgang Uhlmann
Als die Industrielle Revolution in Sachsen ins dritte Jahrzehnt trat, setzten 1822 in Chemnitz erstmals zwei Unternehmen Dampfmaschinen zum Antrieb ihrer Spinnmaschinen ein: Pfaff & Söhne sowie Gottlob Ferdinand Heymann. Bis dahin nutzten sie, wie alle anderen Fabrikanten, die Wasserkraft zum Antrieb. Das Wasser war zwar billig, barg aber eine Reihe Risiken. Im Winter, wenn Flüsse und Bäche zufroren, im Sommer, wenn der Wasserspiegel sank, musste die Produktion für mehrere Wochen ruhen. Die Dampfmaschine ermöglichte jedoch einen kontinuierlichen Produktionsablauf. Ein weiterer Vorteil ergab sich bei der Standortwahl, man war nun nicht mehr auf die unmittelbare Nähe des Wassers angewiesen. Die Fabriken konnten an anderen Stellen, wo der Grund und Boden billiger war, errichtet werden. Zur Wasserversorgung legte man Brunnen an.
Die ersten beiden Dampfmaschinen, die in Chemnitz zum Einsatz kamen, waren noch nicht in Sachsen gebaut worden. Pfaff bezog seine 8-PS (=5,9 kW)-Niederdruckmaschine mit Balancier und Kondensation von Aston, Magdeburg. Die Maschine bei Heymann wies die gleiche Leistung auf, der Hersteller ist heute nicht mehr bekannt. Bis 1837 entschlossen sich sieben weitere Unternehmer zur Aufstellung von Dampfmaschinen, auch diese waren noch keine Chemnitzer Erzeugnisse. Zunächst erfolgte beschränkte der Einsatz der Dampfmaschinen ausschließlich in der Textilindustrie - Spinnereien und Kattundruckereien. Als auch der damals noch junge Maschinenbau seine Transmissionen mittels Dampfkraft in Bewegung setzte, befassten sich jetzt auch Chemnitzer Unternehmer mit dem Bau von Dampfmaschinen.
1846 verzeichnet die Statistik für Sachsen 197 in Betrieb befindliche Dampfmaschinen, davon standen 36 im Gerichtsamtsbezirk Chemnitz und 23 in der Stadt selbst. 148 Maschinen waren in Chemnitz gebaut worden, damit wies sich Chemnitz frühzeitig als ein Zentrum des Maschinenbaus aus.
Während die Dampfmaschinen im Maschinenbau den gesamten Arbeitstag liefen, wurden sie in den Spinnereien vielfach nur während der wasserarmen Zeiten eingesetzt. In den Gießereien betrug die tägliche Betriebszeit der Dampfmaschinen nur ca. drei Stunden, d. h. solange der Schmelzprozess dauerte. Mit dem steigenden Bedarf an Dampfmaschinen erhöhte sich auch die Zahl der Fabrikanten, die solche herstellten. 1870 verzeichnete das Chemnitzer Adressbuch 10 Firmen, die Dampfmaschinen im Produktionsprogramm hatten. Diese Zahl blieb bis 1900 konstant.
Der massenhafte Einsatz von Dampfmaschinen, 1916 waren in Chemnitz 718 in Betrieb, und die vielen Dampfkessel, blieb nicht ohne Folgen für die Umwelt. Für 1865 liegt folgender Bericht eines Zeitzeugen vor: "Es war Ende August 1865 morgens in der Frühe, als wir vor den Toren der großen Fabrikstadt Chemnitz anlangten. Von der Stadt selbst konnten wir in einer Entfernung von einer viertel Stunde nichts entdecken, sie war vollständig in einen dichten Schleier von Rauch und Ruß gehüllt. So etwas war uns allen noch nicht vorgekommen, wie schwarzer Schnee rieselten die Flocken des Rußes der zahlreichen Schornsteine auf uns nieder. Bei stiller schwüler Luft sammeln sich diese schwarzen Schlotauswürfe zu einer dichten Wolke und rieseln dann zur Erde nieder."
Ab 1900 war der Einsatz von Dampfmaschinen und damit auch deren Bau rückläufig, man bediente sich nun im zunehmenden Maße des Elektromotors.