Veranstaltungen 2016

Buchpräsentation des Bandes XIX des Chemnitzer Geschichtsvereins in der Volksbank eG am 5. Dezember 2016 in Chemnitz, Innere Klosterstraße - Ein Beitrag von Frieder Jensch

Als  im November des Jahres 1998 die Stadt Chemnitz in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität, der Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen und dem Chemnitzer Geschichtsverein eine wissenschaftliche Konferenz anlässlich des 200jährigen Jubiläums der ersten Baumwollmaschinenspinnerei in Sachsen veranstaltete, konnte man annehmen, nun sei alles gesagt und wir können uns zurücklehnen. Mitnichten. Die Dynamik der Entwicklung in unserer Region brachte nicht nur beifallswürdige, auf Fortschritt orientierte Aspekte. Auch nachdenkenswerte, nicht ganz erfreuliche Ereignisse, ein zu frühes Vergessen der Verantwortung gegenüber der Hinterlassenschaft aus vergangenen Jahrhunderten gestalteten dieses Bild. Es ist in der Tat so, dass ein Problem, das nicht benannt, nicht thematisiert und in die Öffentlichkeit getragen ist, Gefahr läuft, vollends in Vergessenheit zu geraten.

Einer hatte ein besonders wachsames Auge. Dr. Gert Richter. Leider gehört er nicht mehr zu unseren Mitstreitern, denn im Februar des Jahres 2015 ereilte ihn der Tod. Nicht zuletzt ist es ihm zu verdanken, dass die Erinnerung an die frühe Maschinenbautradion der Stadt Chemnitz aus der Zeit vor der Industriellen Revolution und deren Vertreter wachgehalten wurde. Für den bedeutendsten von ihnen, Carl Gottlieb Irmscher, stand der 250. Geburtstag ins Haus, Grund genug, dieses Jubiläum zum Anlass zu nehmen, um an ihn und die Hinterlassenschaft dieser Maschinenbauertradition zu erinnern.

Um zunächst das Anliegen in geregelte Bahnen zu lenken, wurde unter dem Dach des Geschichtsvereins von Gert Richter und unter Beteiligung von Vertretern des Stadtarchivs eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die Ziele beraten, Aufgaben verteilt.

Zwei Schwerpunkte waren gesetzt: Eine Ausstellung in der Volksbank zum Jubiläum Irmschers selbst und ein wissenschaftliches Kolloquium zu Irmscher und der  Hinterlassenschaft aus jener Zeit. Spinnmühlen waren damals wie Pilze aus der Erde geschossen, nachdem die Privilegia exclusiva für Bernhard sowie für Wöhler und Lange, die eine Maschinenspinnerei nur für deren Betriebe gestatteten, nach zehn Jahren abgelaufen waren. Eineinhalb Jahrzehnte sind seit der eingangs genannten Konferenz vergangen. Die Entwicklung ist weiter fortgeschritten. Das Bild, das uns heute vor Augen steht, ist verändert. Denkmalpflegerische Aspekte in der Betrachtung der Sachlage sind vonnöten.

Am 6. September 2013 fand nun die erneut einberufene Konferenz auch hier in diesem Raume statt. Sechs Beiträge standen auf der Tagesordnung, und wie wir spüren mussten, viel zu wenig Zeit, die anstehenden Probleme hinreichend zu erörtern zu können und dennoch mit den Blick nach vorn, konkret auch auf das Bewahrenswerte an geistiger und gegenständlicher Überlieferung mit unübersehbarem Fingerzeig verwiesen zu haben. Die Volksbank hatte uns schon damals, wie heute auch, die Rahmenbedingungen gegeben, und ich flechte hier ein Dankeschön auch von meiner Seite ein.

Wir waren uns im Verein einig. Die Beiträge werden gedruckt. Bis wir aber das Heft auf den Tisch legen konnten, war es noch ein weiter Weg. Dass der 19. Band des Chemnitzer Geschichtsvereins, die Nr. 80 in der alten Numerierung, vorliegt, freuen wir uns. Noch mehr würden wir uns aber freuen, wenn das Heft nicht nur als beliebte Einschlaflektüre genutzt würde, sondern dem Einen oder Anderen zum Nachdenken anregt oder sogar zum Handeln veranlasst. Als Chemnitzer Geschichtsverein wollten wir auf diese Wortmeldung nicht verzichten.

Ich darf nun auf den Inhalt eingehen.

Die Beiträge betreffen zwei Themenkomplexe: Einerseits geht es um biografische, technikhistorische und industriegeschichtliche Aussagen, andererseits betreffen sie denkmalpflegerische Aspekte und diesbezügliche methodische Ansätze für die Hinterlassenschaften aus dieser Zeit. Die Beiträge stehen, wenngleich auf dem ersten Blick nicht zu erkennen, in einem inneren Zusammenhang. Sie umreißen das gesellschaftliche Problem, das im Kern die Bewahrung von unwiederbringlichen Kulturgut hat. Dabei geht es nicht nur um den Bereich der elitären Kunst, sondern betrifft auch die Bereiche, in denen die materiellen Voraussetzungen geschaffen wurden, Kunst anzuhäufen zu können, auch mit Blick auf die Bedingungen, unter denen die produzierenden Menschen ihren Lebensunterhalt verdienten.

Die Beiträge betreffen sowohl das Lebensumfeld des Maschinenbauers und Baumwollmaschinenfabrikanten Carl Gottlieb Irmscher und den Fortgang seines Unternehmens in Furth über ein anderthalbes Jahrhundert, als auch die seinerzeit wichtigsten Baumeister der Region Johann Traugott Lohse und Christian Friedrich Uhlig sowie die Lugauer Spinnmühle als ein Fallbeispiel dazu, die leider vor wenigen Monaten abgerissen wurde. Ein studentisches Projekt der TU Bergakademie Freiberg befaßte sich mit der Dokumentation dieser alten Betriebe. Auch werden Fragen zu Baumaterialien und der Standortauswahl der Spinnereien betrachtet und nicht zuletzt ist ein optimistischer Ausblick angehängt mit heutigen Beispielen der erfolgreichen Nutzung einiger der alten Spinnstätten. Das Buch hat 150 Seiten und 70 Abbildungen, teils in Farbe, und das ist neu in unserer Reihe.

Ich erlaube mir nun, hier stellvertretend für die Autoren zu sprechen und in die einzelnen Beiträge einzuführen, um den zeitlichen Rahmen nicht allzu sehr zu strapazieren. Des weiteren erlaube ich mir, die eine oder andere Textstelle zu zitieren. Einige der Autoren sind außerdem im Saal und stehen Ihnen natürlich im Anschluss an meinen Vortrag oder auch zu einem persönlichen Gespräch zur Verfügung, so dass ich mich recht kurz halten und auf wesentliche Dinge beschränken kann.

Doch nun zu den Beiträgen selbst - wir möchten ja auch, dass das Buch gekauft und verbreitet wird.

Im ersten Beitrag hat sich Herr Dr. Gert Richter in der letzten seiner Arbeiten um die Aufhellung des Lebensweges von Carl Gottfried Irmscher bemüht. Die aus Euba stammenden Eltern wurden in Chemnitz sesshaft. Der Vater, ein Gezeugsarbeiter - Maschinentechniker würde man heute sagen, - betreute die Further Mühle, nicht weit entfernt davon, wo sein Sohn Carl Gottlieb später seine Spinnerei errichtete. Gar nicht so einfach war es, seine neun Kinder zu ermitteln, da die Kirchenbücher zum Teil verlustig gegangen waren und so seine jüngste Tochter erst beim Studium der Erbauseinandersetzungen bekannt wurde. Techniker und Unternehmer waren meistens nicht so von der Öffentlichkeit beachtet, wie meinetwegen Künstler oder Vertreter der Politik. Sie gab es einfach. So war es auch schwer nachzuvollziehen, wo die Eckpfeiler im Leben des Mechanikus lagen, ohne sich in Vermutungen zu verlieren. Ein Bildnis von C. G. Irmscher existiert wohl nicht, auch sein genaues Todesdatum ist unbekannt. Wir können es nur annähernd anhand einer Zeitungsannonce rekonstruieren. Zudem ergab sich auch ein Problem aus der unterschiedlichen Schreibweise des Namens seiner Ehefrau in den Akten, einer geborenen Kämpfe mit ä oder e, mit pf, p oder pp. Dies brachte Schwierigkeiten und Aufwände, die Bearbeitung geriet sogar ins Stocken.

Dennoch danken wir Dr. Richter sehr, dass er sich mit all seiner Kraft, auch noch als sie ihm schon nicht mehr voll zur Verfügung stand, diesen Fragen gestellt hat und hier in diesem Raum aufgetreten ist. Bei der redaktionellen Fertigstellung haben wir sehr feinfühlig versucht, in seinem Interesse zu wirken und die Arbeit in ihrer Grundsubstanz nicht zu verfälschen. Lassen Sie mich einen Textauszug aus der Arbeit von Gert Richter, wo er Irmscher als Techniker charakterisiert, vortragen:

C[arl] G[ottlieb] Irmscher hat [...] an Verbesserungen der Technik gearbeitet, insbesondere an einem effektiveren und kraftsparenden Betrieb der Jenny-Maschinen. So ist überliefert, dass er zu diesem Zweck am Antriebsrad ein Getriebe anbrachte, das es ermöglichte, den Wagen leichter und schneller bewegen zu können. Inwieweit der englische Einfluss hier Pate stand, sei dahingestellt, für die sächsischen Spinnereien war diese Neuerung allerdings ein großer Fortschritt.

Es sei weiterhin angemerkt, dass Irmscher bereits 1807 fabrikmäßige Produktionsmethoden forderte, um dem steigenden Bedarf an Spinnmaschinen einschließlich deren Verschleißteilen gerecht zu werden. 1812 hatte er sich so weit entwickelt, dass er selbst eine Bauwollspinnerei betreiben konnte. Wie viele andere Unternehmer auch nutzte er nach dem Auslaufen der auf zehn Jahre begrenzten Privilegien für Bernhard und Wöhler & Lange, alleinig Maschinenspinnereien englischer Bauart betreiben zu dürfen, die Gelegenheit, Fabrikant einer eigenen Baumwollmaschinenspinnerei zu sein. In dem nordöstlich der Stadt vorgelagerten Furth baute er seine Fabrik an einer Mühle und betrieb sie bis zu seinem Tode im Jahre 1829.
Zitatende.

Im zweiten Beitrag des Buches hat Herr Dr. Uhlmann die Betriebsgeschichte der Further Spinnfabrik nach Carl Gottlieb Irmscher aufgegriffen und dargestellt. Es ist eine Entwicklung, wie viele dieser Art, dennoch mit einer eigenen Spezifik. Zwei Schwiegersöhne Irmschers, Friedrich Leopold Keller und Friedrich August Hinkel übernahmen den Betrieb. Es folgten wesentliche Betriebserweiterungen in drei Etappen, bald hielten Dampfmaschinen Einzug, erkennbar daran, dass in den späteren Darstellungen des Betriebes hohe Schornsteine aufragen. Recht früh hat das Unternehmen eine eigene Gasanstalt zur Gasbeleuchtung, eine Betriebsfeuerwehr und eine Fabrikschule besessen. Fabrikschulen waren in größeren Spinnereien gang und gäbe, denn die Kinder wurden zugleich als Arbeitskräfte herangezogen. Die Aufsichtspflicht darüber hatte die Kirche. Aber unternehmerisches Anliegen war, dass die Ausbildung der Kinder möglichst nah am Arbeitsplatz erfolgte und kein langer und zeitraubender Schulweg die Arbeitszeit und das Leistungsvermögen der Kinder schmälerte. Die Zustände in der Schule gaben oft Anlass zur Kritik und Klage.

Lassen Sie mich zur Situation in der Further Fabrikschule aus dem Beitrag von Dr. Uhlmann berichten.

Im Jahre 1842 sandte Schulinspektor Unger an die Kreisdirektion folgende Einschätzung:

Als ich die Fabrikschule des Herrn Keller in Glösa besuchte, fand ich dieselbe in einem so traurigen Zustande, daß die vereinte Inspection sich nicht wird entbrechen können, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln auf Abstellung der größten Übelstände zu dringen.
Das Lehrzimmer ist zwar hell, aber für die Fabrikkinder, deren Zahl gegenwärtig einige Vierzig beträgt, viel zu klein. Es besteht aus einem kleinen Vorsaale, durch welchem man in zwei bewohnte Stuben gelangt, deren Bewohner, auch während der Lehrstunden hin und wieder gehen und den Unterricht nothwendig stören. Dieser Vorsaal scheint im Winter nicht einmal geheizt werden zu können, und bietet nun etwa 26, höchstens 28 Kindern so vielen Raum, daß sie bequem schreiben können. Nur so viele Kinder, als eben angegeben, sitzen an zwei Tafeln, die übrigen aber auf zwei kleinen an der Wand aufgestellten Gartenbänken und, da diese nicht ausreichenden Platz gewähren, auf der Diele.
An Lehrmitteln fehlt es, außer einer schwarzen Wandtafel gänzlich; von den Kindern haben nicht einmal die wichtigsten Lehrbücher. Die Schulstunden, welche von 4 Uhr Nachmittags bis 6 Uhr gehalten werden sollen, beginnen sehr unregelmäßig und die Kinder werden von den Spinnern zum Theile gar nicht, zum Theil aber erst einige Zeit nach dem Beginn des Unterrichts von ihrer Arbeit entlassen.
Zitatende.

Im Zuge der weiteren Betriebsentwicklung übernahm Adolph Lippelt die Spinnerei. Nach 1888 firmiert der Betrieb unter Baumwollspinnerei und Warperei [Kettbäume] Furth, vorm. H. C. Müller AG. also nun als Aktiengesellschaft. Heute steht hier ein Plattenbau. Nähere Details erspare ich mir.


Im dritten Beitrag hat Herr Wolfgang Frech aus Lugau einen Abriss seiner langjährigen Forschungen zur Meinertschen Spinnerei in Lugau und zur Entwicklung des Spinnereigewerbes im Erzgebirge vorgelegt. Das Gebäude, dass eine sehr wechselvolle Geschichte erlebt hatte, war von Johann Traugott Lohse 1812, also ebenso nach dem Auslaufen der Privilegia exclusiva errichtet, also noch vor dem einsetzenden Kohlebergbau in dieser Region. Die Geschichte dieses baugeschichtlich bemerkenswerten Gebäudes ist reichhaltig: Gebaut als Maschinenspinnerei, dann Messingfabrik, auch Konzentrationslager der Nazis, zuletzt Wohnheim für Bergarbeiter, bis hin zu jahrzehntelangem Leerstand, Verfall und schließlich Abriß. Letzten Endes ist es kein Ruhmesblatt für das denkmalgeschützte Haus. Herr Frech hat in akribischer Kleinarbeit Quellen zu den Spinnmühlen in Mittelsachsen ausgewertet und zusammengestellt. Gerade für diejenigen, die sich fachlich mit der Entwicklung der Spinnereien in Sachsen beschäftigen wollen, ist seine Arbeit ein geeigneter Einstieg dazu.

Hier ein Kostprobe:

Beim Bau der Spinnmühlen ging es zunächst um die bauliche Hülle für die Spinnmaschinen und den gesamten technologischen Prozess des Spinnens und erst danach um die architektonische Gestaltung eines Gebäudes. Notwendig dafür waren mehrgeschossige Gebäude mit großen Spinnsälen und verschiedenen Nebenräumen (Werkstätten, Lagerräume, Kontor, evtl. Wohnräume). Die Geschossdecken mussten für die Maschinen ausreichend tragfähig sein. Für den Warentransport in die einzelnen Geschosse war eine Aufzugsmöglichkeit erforderlich. Die Schichtglocke – oft in einem kleinen Dachreiter aufgehängt – verkündete Beginn und Ende der Arbeitszeit. Für die Kraftübertragung vom Wasserrad bis zu den Maschinen war eine komplizierte Anlage erforderlich. Der Abstand vom Wasserrad bis zu den Maschinen musste möglichst klein sein, um die Reibungsverluste zu vermindern. Das führte zu einer kompakten Bauform mit mehreren Geschossen. Notwendig waren langgestreckte, wegen der Ausleuchtung mit Tageslicht nicht sehr breite Gebäude mit mehreren Geschossen. In den langen Spinnsälen konnten mehrere Maschinen in Reihe aufgestellt werden. Zitatende.

Frau Julia Petzak, Diplom-Industriearchäologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Bergakademie Freiberg, beteiligte sich einem studentischen Projekt mit dem Ziel, die Hinterlassenschaft an Spinnereien an Mulde und Zschopau zu dokumentieren. Die Methode, eine Einordnung in die internationale industriearchäologische Forschung vorzunehmen, ist ein anspruchsvoller Ansatz, und die Ergebnisse sind zukunftsorientiert. Nicht das Einzelobjekt steht im Blickpunkt, sondern die Landschaft, die "Landscape" als ein dynamisches Etwas mit Stoff- und Kraftströmen, beispielsweise dem Handel und Wasserläufen als Kraftspender. Wünschen wir, dass dieser Ansatz auch auf fruchtbaren Boden fällt und in der Praxis seinen Niederschlag findet. im Übrigen liegt auch diese Arbeit in der Gesamtheit seit Kurzem gedruckt vor und ist im Industriemuseum zu erwerben.

Ein kurzer Auszug aus ihrem Beitrag zur Untersetzung (Auf die Quellen verzichte ich, in der Arbeit  sind sie natürlich enthalten.)

Der allgemeine „landscape“-Ansatz, der [...] in der Erfassung möglichst vieler Objekte, die dann zueinander in Beziehung gesetzt werden können, liegt, hatte [...] seinen Ursprung sowohl bei der Ur- und Frühgeschichte als auch in der Geographie. Er bringe der Industriearchäologie den Vorteil, Kreisläufe von Rohstoffen, Produkten und Abfallstoffen nachvollziehen zu können, Transport- und Energieversorgungseinrichtungen im Kontext ihrer Relevanz für die Industrie zu sehen sowie soziale Aspekte wie die Unterbringung von Arbeitern und Residenzen von Fabrikbesitzern anzusprechen. Weiterhin könnten in historischer Sicht Beziehungen zu natürlichen Ressourcen und geschichtlichen Gegebenheiten auf diese Art untersucht werden.

Soweit der anspruchsvolle Ansatz. Frau Petzak liefert dazu einige eindrucksvolle Beispiele.

Im fünften Beitrag hat sich Herr Dr. Stefan Thiele - heute leider verhindert - die beiden Baumeister vieler alten Spinnereien - Johann Traugott Lohse und Christian Friedrich Uhlig - genauer angesehen. Beide Herren stammen aus Altenhain, heute zur Stadt Chemnitz gehörig. Vielleicht werden sie auch einmal als bedeutende Söhne der Stadt wie Georgius Agricola oder Hans Carl von Carlowitz erkannt. Eine Zusammenschau von Leben und Werk stand bisher aus. Jetzt kann man manches nachlesen, was so vielleicht nicht geahnt, dennoch sehr bemerkenswert ist. Wie auch immer es sich verhält, dass im alten Chemnitz die beiden Altenhainer mit Aufträgen nicht zu Stuhle kamen, im Umland der Stadt ist ihr Werk enorm. Herr Thiele hat hier eine Arbeit vorgelegt, die längst erwartet wurde. Tabellen, die den Umfang ihrer Leistung an Spinnereibauten, Kirchen und anderen Bauwerken enthalten, runden die Arbeit ab.

Auch hier eine Leseprobe:

Johann Traugott Lohse und Christian Friedrich Uhlig – zwei Namen, die mit der sächsischen Kunst- und Industriegeschichte der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts untrennbar verbunden sind. Beide haben ihre Wurzeln im heutigen Chemnitzer Stadtteil Altenhain. Für den mittelsächsischen und erzgebirgischen Raum waren sie die tonangebenden Kapazitäten auf dem Gebiet des Sakral- wie auch des Profanbaus. Neben konventionellen Aufgaben standen dabei Objekte im Fokus, die eine bislang noch nicht dagewesene Herausforderung in der Verknüpfung von baukünstlerischen mit ingenieurtechnischen Anforderungen darstellten. Die Rede ist von den „Spinnmühlen“, jenen Einrichtungen zur Unterbringung von Spinnmaschinen nach englischem Vorbild, wie sie seit den späten 1790er Jahren zunehmend auch in Sachsen heimisch wurden. Zitatende.

Im sechsten Beitrag stellt der vor Ihnen stehende Vortragende Beziehungen her, die als Voraussetzungen zum Bau der Spinnmühlen angesehen werden können. Wasserkraft, Holz und Steine waren zu deren Anlage erforderlich, wobei man Entscheidungen mit der Sachkenntnis an der Wende zum 19. Jahrhundert traf. Als Mauerstein stand in der Regel das unmittelbar an der zu erbauenden Spinnmühle zur Verfügung. Problematisch war die Beschaffung von geeigneten Werksteinen für Fenster- und Türgewände, Portale, Säulen, Treppen, Podeste und Stufen, die in der erforderlichen Menge und Qualität nur im Porphyrtuff vom Typ Chemnitz mit den Vorkommen im Umfeld des Zeisigwaldes bei Chemnitz und von Gückelsberg bei Flöha in Frage kamen. Hier breche ich ab und verweise auf meine Arbeit, auch mit einem Zitat:

Alles in allem kann man ohne Übertreibung sagen, dass der Porphyrtuff aus dem Raum Chemnitz als Baugestein eine Schlüsselstellung bei der frühen Industrialisierung Sachsens inne hatte, und die ersten Baumwollspinnereien sind ein Teil des geschichtlichen Lebensnervs Sachsens. Wohl alle von ihnen einschließlich Teilen ihres Umfeldes stehen unter Denkmalschutz. Trotz einiger erfreulicher Rekonstruktionen wie in Chemnitz - Harthau, in Altenhain und der Schönherrfabrik  Chemnitz sind dennoch einige von ihnen in den letzten zwei Jahrzehnten abgerissen worden. Der Bauzustand der weiterhin erhaltenen Maschinenspinnereien lässt aber vermuten, dass ihnen bald dasselbe Schicksal bevorsteht. Vereinsinitiativen, wie sie von Geyer für den Lotterhof, die Evanssche Spinnerei und andere Objekte ausgehen, wiegen die sich allgemein darbietende Situation nicht auf. Allein in Chemnitz sind neben den drei genannten noch drei weitere alte historisch bedeutende Spinnereien im Stadtbild vorhanden. Zitatende.

Hier war das Kolloquium am Ende angelangt, aber der mehr frustrierende Ausgang sollte nicht stehen bleiben. So hat Herr Dr. Wolfgang Uhlmann gewissermaßen als Nachwort drei Beispiele vorgestellt, wo es gut gelungen ist, in die gefährdeten Gemäuer unserer alten Spinnmühlen neues Leben zu bringen.

Ich zitiere:

Dennoch wollen wir nicht außer Acht lassen, dass es auch positive Beispiele gibt, wo derartige Fabrikanlagen sowohl erhalten als auch einer neuen Nutzung zugeführt werden konnten. Dank des Engagements wagemutiger und weitsichtiger Investoren wurden sie unter denkmalpflegerischer Obhut hergerichtet und sind wieder in einem hervorragenden Zustand. Das sind

Erstens: Pro Civitate Seniorenresidenz „Manufaktur Bernhard“, Klaffenbacher Straße 47/49 (Bernhardsche Spinnerei)

Zweitens: schönherr.fabrik, Schönherrstraße 8 (Wöhler & Lange)

Drittens: imk automotive GmbH, Amselgrund 30 (Hößler, Baumeister Christian Friedrich Uhlig)


Wünschen wir, dass diese Beispiele, auch ein wenig mit unserem Zutun, sich mehren und von den noch erhaltenen Bauten der "Palastarchitektur" auch künftig noch vieles in unserem Landschaftsbild wiederzufinden ist.

Lassen Sie mich am Schluss des Vortrages das denkmalpfegerische Anliegen des Heftes kurz benennen.

Unsere alten Spinnereien sind nach wie vor Kulturgut. Drei Dinge sollten Maxime des Handelns sein.

1. Die Nutzung der Gebäude hat den Vorrang vor Abriss. Abrissgelder könnten auch zur Notsanierung dienen.

2. Sollte der Abriss unumgänglich sein, ist eine zustandsgerechte Dokumentation dringend erforderlich.

3. Historische Baumaterialien und relevante Bauteile sollten fachgerecht entnommen und gesichert werden. Nicht alles darf zu Recycl-Material und Abfall erklärt werden.  

Darauf aufmerksam zu machen, war nicht zuletzt auch ein Anliegen unserer Arbeit. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen des neuen Heftes und möchte damit schließen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. 

Besichtigung der ehemaligen Germania Brauerei am 21. April 2016




















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